• 01.06.2021 – Im Gespräch mit Nina Mülhens

„Hört einander zu!“ Soziale Netzwerke effektiv nutzen: Softskills in der digitalen Kommunikation

Gegenseitiges Zuhören sollte Grundlage in unserer Gesellschaft sein, auch in der digitalen Welt. Denn nur so ist eine gesunde gesellschaftliche Teilhabe möglich. Authentizität und das Durchschauen der unterschiedlichen digitalen Plattformen sind wichtige Bausteine einer erfolgreichen Kommunikation mit Sinn. Die Komplexität der virtuellen Welt sollte erfasst werden, wenn man sich in ihr bewegt. Nina Mülhens ist Kommunikationsstrategin, Co-Founderin und Geschäftsführerin der DigitalSchoolStory. Das Ziel: Schüler*innen im Umgang mit Social Media zu schulen und ihnen Softskills wie Empathie in einer sich verändernden Gesellschaft zu vermitteln.

MO: Du sagst, ich zitiere: „Präsent sein im Internet und auf Social Media im digitalen Zeitalter ist noch wichtiger geworden, sonst findet man nicht statt.“ Andererseits landet man durch Social Media in digitalen Welten, die Transparenz vorgaukeln, die in Wahrheit aber komplex sind und mit Algorithmen durchsetzt. Gerade, wenn man sich nicht in geschlossenen Netzwerken bewegt, zirkulieren schnell Hate Speech und Verschwörungstheorien. Welche Haltung sollte man in der Kommunikation in Social Media einnehmen?

Nina Mülhens: Ein wichtiger Punkt ist zu wissen, wofür man selbst stehen möchte. Auch wenn man in den sozialen Netzwerken nicht präsent ist, heißt das nicht automatisch, dass man nicht vorkommt. Ich muss mir klar darüber sein, wie viel Einfluss ich selbst auf Dinge nehmen möchte oder ob das andere übernehmen. Entscheidend ist hier zu wissen, wofür man brennt und wie man wahrgenommen werden möchte. Man sollte auch wissen, dass es einen Unterschied in der Bedeutung gibt, wenn ich Dinge schreibe oder sie sage. Das lässt Raum für Interpretation. Man sollte offen sein, in den Austausch zu gehen. Zugleich sollte man bereit sein, die eigene Meinung zu vertreten und eine Haltung einzunehmen. Alleine ein „Like“ macht einen ja in den sozialen Netzwerken schon sichtbar. Es lohnt sich also, genau hinzuschauen, wem man ein „Like“ gibt. Sobald man ein bisschen Erfahrung gesammelt hat, dann mal etwas kommentieren und die eigene Haltung auch darin spiegeln. Mein Tipp: Ausprobieren und es einfach mal versuchen.

MO: Liegt darin nicht auch gerade die Krux, dass Viele Angst davor haben sich zu äußern, vielleicht etwas falsch zu kommentieren? Es lässt sich nicht mehr wegwischen, was man gepostet hat.

Nina Mülhens: Man kann es nie allen recht machen. Auch im Gespräch wird man nicht immer zu 100 % Zustimmung erfahren. Ein Gespräch lebt ja auch davon, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Das muss man aushalten. Und genau das sollten wir auch im Netz lernen. Einige Menschen werden die Dinge gut finden, die ich poste, aber es gibt auch jene, die das eben nicht tun. Das ist legitim. Ich kann mich entscheiden, ob ich antworte und auch wie ich antworte. Und: Ich muss nicht jeden Kommentar, den ich bekomme, beantworten.

MO: Wie schaffen wir Nähe in unserer virtuellen Welt? Das ist ja ein entscheidender Faktor in der Bindung der Zielgruppe.

Nina Mülhens: Ich finde, die Nähe in digitalen Netzwerken ist teilweise intensiver als analog. Weil man in einem abgeschlossenen Raum kommuniziert. Es geht im Digitalen noch stärker um das Mindset: Wie offen bin ich? Einige Netzwerke sind gerade durch Corona entstanden. Sie sind so ausgerichtet, dass man in Break-out-Sessions kunterbunt mit Menschen zusammengewürfelt wird, die man vorher nicht kannte und durch die man ganz neue Perspektiven kennenlernt. Und ins Gespräch findet. Das schafft natürlich Nähe. Voraussetzung ist, sich auf Augenhöhe zu begegnen und sich zuzuhören. Im Digitalen ist das noch wichtiger als im Analogen, weil wir so viele Dinge gleichzeitig machen. Durch das Zuhören findet man ganz viele Möglichkeiten anzuknüpfen, sich zu vernetzen, zu helfen und neue Verbindungen zu schaffen. Man darf nicht die Erwartungshaltung haben, „Ich geh da jetzt rein und ich hole mir dadurch ganz viele Aufträge!“ – Nein. So funktioniert das nicht. Netzwerk digital heißt, dass ich erst einmal ganz viel reingebe und dann kommt nach einer Zeit viel zurück.

MO: Soziale Medien führen dazu, dass mehr diskutiert wird. Jeder kann sich beteiligen. Im Grunde sollte die Demokratie durch den Austausch gestärkt werden. Allerdings lässt die Qualität des Inhalts oft zu wünschen übrig. Und man ist deutlich angreifbarer.

Nina Mülhens: Ich gebe mal ein Beispiel: Sascha Lobo hat letztes Wochenende in der re:publica gesprochen, einige mochten die Keynote und andere gar nicht. Da muss ich mir persönlich überlegen, wie stark möchte ich mich in eine solche Diskussion einbringen. Insgesamt ist es gut, nicht immer gleich zu reagieren, Emotionen und Reaktionen erst einmal sacken zu lassen. Ein guter Rat von Freunden oder einem professionellen Sparringspartner wie uns Kommunikationsberatern ist auch immer gut, um den eigenen Weg zu finden.

MO: Auf Kampagnenebene gedacht: Zum Beispiel #allesdichtmachen, da haben bekannte deutsche Schauspieler und Schauspielerinnen ihren Frust gegen die Maßnahmen der Bundesregierung in Corona-Zeiten geteilt, haben das auf eine satirische, ironische Art getan und entsprechende Videos gepostet. -Das führte zu einem Shitstorm und Hass. Was ist da schiefgelaufen?

Nina Mülhens: Da wurde ein Thema ironisch angegangen, das derzeit die Gemüter stark erhitzt. Die Pandemie lässt keinen Stein auf dem anderen. Alles wird hinterfragt. Menschen sind in Kurzarbeit, Menschen erleben Situationen in Krankenhäusern, die man nicht erleben möchte, die Familiensituation kann extrem angespannt sein…. Ich frage mich, ob in so einem Moment Ironie das richtige Stilmittel ist. In einer Situation, in der es ums Eingemachte geht. Totale Überforderung, Homeschooling, Existenzbedrohungen, die auf Menschen einströmen, da ist es doch klar, dass durch so eine Kampagne viele Menschen nochmal mehr getriggert werden.

MO: Zusammengefasst: Was sind deine Top-Punkte, um das Internet humaner zu machen?

Nina Mülhens: Das Zuhören steht an erster Stelle, das ist für mich das Entscheidende. Dann: Wo ist die Zielgruppe und was treibt sie um? Bei Unternehmen ist die Krux, dass man lieber mit Menschen sprechen möchte als mit Unternehmen. Also sollte man Menschen „enabeln“, Markenbotschafter und Corporate Influencer, aufbauen. Sich wertschätzend zu bewegen und nicht pauschal von sich auf andere zu schließen, ist ebenfalls essentiell. Und vielleicht auch ein Stück weit geduldiger zu werden. Auch das ist so entscheidend!

Nina I. Mülhens hat ihre eigene Kommunikationsberatung nina mülhens. Kommunikation klipp & klar. und ist zugleich Pressesprecherin der Gelbe Seiten Marketing Gesellschaft mbH. Sie gehört dem Redaktionsteam von Zielbar.de an, moderiert Gesprächsrunden, ist persönlicher Sparringspartner oder Impuls- und Ideengeber. Sie war über 11 Jahre im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für ein Family Office tätig. Berufsbegleitend absolvierte sie ihr BWL-Studium mit Schwerpunkt Kommunikation.

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Merle von Oppen

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