• 02.02.2021 – Im Gespräch mit Philipp Kauffmann

UN-Generalsekretär António Guterres appelliert, 2021 müsse das Jahr des Einklangs von Natur und Menschheit werden. Er fordert #ClimateAction von uns allen – jeden Tag! Welche Rolle spielen Unternehmen, welche Rolle Konsumenten? Was können wir tun? Heute spreche ich mit Philipp Kauffmann, Gründer und Geschäftsführer von Original Beans. Sein Produkt: eine der bestdotierten Schokoladen im europäischen Gastgewerbe und der Qualitätsführer im deutschen Bioretail, dabei wirklich fair und nahezu 100% regenerativ in seiner eigenen Wertschöpfung. Der Purpose von Original Beans: Regeneration dessen, was wir konsumieren. Kauffmann fordert: „Ein wertebasierter gesellschaftlicher Beweggrund sollte Teil der Existenzberechtigung jedes Unternehmens werden.“

MO: Philipp, gerade habt ihr euren Regenerationsbericht, den Chocolate Foodprint 2020, veröffentlicht: Original Beans hat 2020 beinahe den doppelten Fairtrade Preis an Kakaobauern gezahlt und damit die Lebensumstände vieler Familien verbessert. Nach diesem Bericht habt ihr 1,6 Millionen Bäume gepflanzt. Dazu habt ihr knapp 13 Tausend Tonnen CO2 kompensiert und fast 2 Tonnen Verpackungsabfall aufgrund eurer voll kompostierbaren Verpackung eingespart. Zusätzlich habt ihr rund 135.000 Euro Spenden für lokale Artenschutzprojekte zur Verfügung gestellt. Ihr übernehmt nachhaltige und soziale Verantwortung für eure Schokoladenproduktion. Und dennoch verdient ihr Geld! Warum handeln nicht viel mehr Unternehmen nach diesem Vorbild?

Philipp Kauffmann: Ich denke, immer mehr Unternehmen handeln in diese allgemeine Stoßrichtung. Aber um wirklich regenerativ zu wirtschaften, braucht man die Vision einer grundlegend andersartigen Welt und Wirtschaft. Das spricht eher für neue Unternehmen, als die gefestigten. Man muss nicht nur Werte haben, man muss sie auch detailgetreu in die geschäftliche Wirklichkeit umsetzen. Außerdem bedarf es einer ordentlichen Portion Empathie und Mut, über einen selbst hinauszudenken. Unsere Geschäftswelt wird immer noch von der Maxime bestimmt, dass Gewinne maßgeblich sind und nicht etwa die Zufriedenheit anderer oder gar zukünftiger Generationen. Effizienz wird daran gemessen, immer mehr Menschen immer mehr Produkte und Dienste zu immer besseren Preisen zu liefern. Beiträge und Kosten, zu denen die Unternehmen nicht gezwungen sind, werden oft auf Dritte abgestoßen: Amazon zum Beispiel zahlt nahezu keine Steuern. Und führende Schokoladenmarken werden in der Produktionskette immer noch mit Kinder- und Sklavenarbeit* in Verbindung gebracht! Wir müssen als Gesellschaft insgesamt unser Konsumverhalten dringend überdenken!

MO: Welche Rolle sollten Unternehmen übernehmen, gerade diejenigen mit Hauptsitz in demokratischen Staaten? Welche Verantwortung tragen sie in unserer globalen, multilateralen Welt?

Philipp Kauffmann: Leider tragen Unternehmen derzeit per Definition kaum eine andere Verantwortung als die, Gewinne ihrer Eigner wachsen zu lassen: Der Shareholder Value steht häufig alleine im Vordergrund. Erst, wenn die Gesetzgeber das Spielfeld enger fassen und höhere Standards im weltweiten Konkurrenzkampf um Standorte schaffen, werden die Unternehmen diesen höheren Standards folgen. Und umgekehrt kann die Politik nur handeln, wenn wir Bürger und Verbraucher*innen das unterstützen. Was wir also brauchen, ist eine höhere Achtung von Bewegungen wie den “Grassroots”: Organisationen, manche kommerziell, andere philanthropisch, die die Verantwortung an sich anschwellen lassen. “Fridays for Future” ist ein gutes Beispiel. Die haben keine millionenschweren Staatssubventionen für Klimaschutz bekommen, wie sie die großen Firmen ständig unanständig entgegennehmen. Aber Verantwortung haben sie für uns alle genommen, wie wenig andere.

MO: Labels wie „bio“ oder „Fairtrade“ sollen den Konsumenten in unserer globalen Welt ein Wegweiser in ihrem Konsumverhalten sein. Allerdings ist es dennoch schwierig, einen Durchblick zu behalten. Warum?

Philipp Kauffmann: Biologische Zertifizierung bietet ein sagenhaft schlüssiges und gut kontrolliertes System, um jedes Produkt vom Regal bis in den Anbau zurückzuverfolgen. Von Fairtrade bin ich allerdings enttäuscht, da deren Standards für “faire” Schokolade für die Kakaobauern weiterhin ein Leben in für uns inakzeptabler Armut und Ausbeutung bedeutet. Da klafft der Spalt zwischen gesundem Menschenverstand und industrieller Realpolitik schmerzlich weit auseinander. Wir müssten von der Pike auf lernen, was verantwortungsvoller Konsum bedeutet. Die Produkte, mit denen wir unser Leben füllen, fallen nicht vom Himmel und sie lösen sich nicht in Nichts auf. Jeder Ankauf trägt Verantwortung, und nur wer sich dieser stellt, blickt irgendwann besser durch. Dass wir Verbraucher besser durchblicken wollen, zeigen die unterschiedlichen Gesetzesinitiativen, auch auf europäischem Niveau, zu höherer Transparenz in den Handelsketten. Ich hoffe, Europa entscheidet sich für den Wettbewerb nach oben und wirft die einzigartige Aufgeklärtheit und soziale Kohärenz dieses Kontinents in die Waagschale einer regenerativen Zukunft. Davon hängt so vieles ab.

MO: Was lehrt uns die Corona-Krise in Hinblick auf die Erde, auf unsere Ressourcen und unser Verhalten, Wirtschaften?

Philipp Kauffmann: In den vergangenen Jahrzehnten haben wir die uneingeschränkte, oftmals ungeregelte Globalisierung der Konsumgesellschaft erlebt. Die Geschwindigkeit war immer am Rande des Möglichen. Jetzt haben wir die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Die Frage ist, ob wir nach Corona wieder voll aufs Gaspedal treten werden, oder ob wir es schaffen, gemäßigter zu fahren, die Regeln zu verbessern und Raser härter zu bestrafen? Die besseren Regeln müssen ökologisch regenerativ und sozial gleichgewichtiger sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das als Gesellschaft schaffen! Wir sollten die Innovationskraft von Unternehmen auf den gesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Gewinn gleichermaßen richten! Und so wie ich für ein neues, nachhaltiges Unternehmertum stehe, wünsche ich mir auch neu ausgerichtete Parteien. Wir müssen die großen Themen unserer Zeit – Ökologie, Digitalisierung, Migration – mit mehr Fokus und Kompetenz vorantreiben.

Nach der erfolgreichen Gründung eines Startups in den 90ger Jahren, arbeitete Philipp Kauffmann zehn Jahre lang als Naturschützer für den WWF und die UN. 2008 gründete er Original Beans, heute die führende Craft Schokoladenmarke in Europa. Getreu dem Motto “Koste Seltenes uns bewahre es” präsentiert das Unternehmen die seltensten Kakaobohnen der Welt, beliefert die besten Küchen und vereint Schokoladenliebhaber und Kakaobauern, um Millionen von Bäumen wachsen zu lassen. Kauffmann setzt mit Original Beans das Erbe seiner Familie fort, die seit sieben Generationen die Theorie und Praxis des Umweltschutzes in Deutschland mitgestaltet hat.
* Quelle u.a. :www.voicenetwork.eu/wp-content/uploads/2020/12/2020-Cocoa-Barometer.pdf: Not a single promise kept „According to a new report by the National Opinion Research Center at the University of Chicago (NORC 2020), 1.5 million children are working in cocoa production in Côte d’Ivoire and Ghana. 95% of the child labourers are exposed to the worst forms of child labour, such as working with dangerous tools or harmful pesticides.“
** Foto mit freundlicher Genehmigung von Original Beans eingefügt.

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Merle von Oppen

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